Heideausflug
Kennt ihr die Lüneburger Heide? Das sind dort ja keineswegs nur Heideflächen, sondern auch ausgedehnte Waldgebiete. Und durch beides hindurch führen nicht nur richtige Straßen, sondern auch Wege.
Wege, die man zum Teil mit dem Auto befahren darf, obwohl sie manchmal kaum befahrbar sind …
Schlaglöcher ist gar kein Ausdruck für das, was einem auf diesen Wegen begegnet. Das sind weit mehr als Schlaglöcher. Und wenn man das vorher weiß, sollte man manche Wege höchstens mit einem Geländefahrzeug mit Vierradantrieb befahren, aber nicht mit einem anderen Wagen.
Bloß, genau das ist der Knackpunkt – wenn man es weiß.
Wir wussten es nicht. Wir waren einfach vier Teenager unterwegs, die Freiheit genießen, mit 18, kurz nach dem Abitur und vor Studium beziehungsweise Wehrdienst oder Zivildienst, vor dem Leben als Erwachsene also. Mit seinen so ganz anderen Verpflichtungen und Erwartungen.
Auf die Lüneburger Heide als Ziel für unseren Campingurlaub waren wir gekommen, weil Axel, einer aus unserer Viererclique, dort einen Verwandten hatte, einen Cousin zweiten Grades.
Insgeheim hatten wir gehofft, der werde es uns möglich machen, vielleicht ganz preiswert in einer Pension oder so unterzukommen, statt zelten zu müssen. Denn davon waren die beiden Jungs, Axel und Christian, zwar total begeistert, aber wir beiden Mädels, Sonja und ich, ganz und gar nicht.
Ich hasse Zelturlaube!
Zelte sind eng und unbequem, man hat keinen Platz für die Sachen, ständig sucht man alles, das nächste Klo und die Waschräume sind einen Kilometer weit weg, und überall ist man von Insekten umgeben.
Alles ringsherum ist ein elender Aufstand, und das beginnt schon mit dem Kaffeekochen morgens.
Okay, ich gebe zu, das ist jetzt eine ein wenig einseitige Darstellung, aber ich mag nun einmal ein wenig Komfort; gerade im Urlaub. Noch besser wäre statt reinem Komfort allerdings echter Luxus.
Bloß konnten wir uns den Luxus oder auch nur den schlichten Komfort als junge Ex-Schüler und demnächst Studenten beziehungsweise Wehrpflichtige natürlich eigentlich überhaupt nicht leisten.
Der Cousin hatte Axel auch geschrieben, er würde uns ein Zimmer besorgen. Als wir das allerdings besichtigten, stellte sich heraus, die miese Dachkammer war kaum bequemer als ein Zelt.
Und größer war sie dann auch nicht, die Kammer. Da hätten wir zu viert wirklich kaum hineingepasst. Und viel teurer als abgesprochen sollte sie auch sein. Deshalb haben wir uns dann doch kurzfristig entschlossen, die zum Glück mitgebrachten Zelte zum nächsten Campingplatz zu kutschieren und zu zelten. Das war dann wenigstens billiger, und viel unbequemer nun auch nicht als so eine enge Kammer, wo man dann auch noch Rücksicht auf die anderen Gäste nehmen musste, die auf keinen Fall gestört werden durfte durch nächtliche Musik oder so..
Übrigens muss ich noch etwas erklären.
Zwei Jungs und zwei Mädels – das wirkt ja glatt so wie zwei Liebespaare; aber das waren wir gar nicht.
Zumindest waren wir es vor dem Urlaub nicht. Wir waren einfach alle nur vier gute Freunde, über die Geschlechtergrenzen hinweg, die sich seit der Grundschule kannten und ständig zusammenhockten. Wir machten alles zusammen, wir teilten alles zusammen; bis auf den Sex.
Unsere ersten sexuellen Erfahrungen hatten wir vier in diesem Alter natürlich alle schon längst hinter uns; allerdings nicht miteinander, sondern mit anderen Partnern außerhalb der Clique.
Darüber hatten wir in der Clique auch wenig geredet, da gab es dann doch die üblichen Geschlechtergrenzen. Ich berichtete Sonja über meine erotischen Erfahrungen und Sonja mir über ihre.
Ebenso vermutete ich, dass die Jungs sich untereinander austauschten, was sie mit den Mädchen schon so alles erlebt hatten. Mit uns sprachen sie darüber jedenfalls nicht. Unsere Clique war etwas, das mit Sex nichts zu tun hatte, oder weit darüber hinausging. Je nachdem, wie man es sehen wollte.
Es hatte keiner von uns Lust, mit einem anderen aus der Clique etwas anzufangen, obwohl Axel und Christian von den Mädchen schon ziemlich umschwärmt wurden und Sonja und ich auch nicht gerade Mauerblümchen waren. Da lag das Verlieben ja schon irgendwie nahe als Gedanke.
Trotzdem wären wir nie auf die Idee gekommen, uns ineinander zu verlieben. Zu viel Angst hatten wir davor, dass eine solche Liebesgeschichte vielleicht die Basis unserer Clique zerstören könnte.
In diesem Urlaub war es allerdings so, dass die Clique ohnehin kurz vor ihrem Ende stand. Nicht etwa, weil wir uns gestritten hatten, aber weil wir uns nach dem Urlaub in alle Winde zerstreuen würden. Kein Mensch wusste, ob und wann wir jemals wieder zu viert zusammenkommen konnten. Vielleicht in den Weihnachtsferien, aber vielleicht auch nie wieder.
Ich wollte zum Studieren nach Heidelberg gehen, Sonja hatte sich Marburg als Studienort ausgesucht beziehungsweise dorthin geschickt worden, Axel machte Wehrdienst irgendwo in Norddeutschland, und Christian würde quasi zu Hause bleiben, mit seinem Zivildienst in einem Altersheim dort.
Von daher könnte es schon so sein, dass er unser Ankerpunkt werden würde, bei dem wir uns regelmäßig wieder trafen, aber es war eben nicht sicher, und die bequeme Selbstverständlichkeit, mit der wir jeden Tag hatten zusammensitzen können, die war einfach aufgelöst.
Deshalb war es irgendwie eine ganz merkwürdige Stimmung in diesem Urlaub in der Lüneburger Heide.
Einerseits waren wir total ausgelassen und froh, weil wir die Schule endlich hinter uns und das Abitur in der Tasche hatten, weil uns jetzt sozusagen auf einmal die ganze Welt offen stand.
Und andererseits waren wir traurig und melancholisch, weil es zumindest auf absehbare Zeit unser letztes Zusammensein war.
Zuerst überdeckte die Notwendigkeit zur Aktivität die Wehmut. Wir mussten ja in Windeseile noch unsere zwei Zelte aufbauen. Dabei konnten wir froh sein, überhaupt noch einen freien Platz gefunden zu haben; im Sommer ist die Lüneburger Heide schon ziemlich überlaufen, und weil wir uns ja auf ein Pensionszimmer eingestellt hatten, hatten wir nichts im Voraus gebucht.
Wir holten also rasch alles aus Axels Klapperkiste.
Die natürlich gar keine Klapperkiste war, sondern ein Gebrauchtwagen, der noch ziemlich gut in Schuss war. Seine Eltern hatten ihm den schon vor einem jahr zum 18. Geburtstag geschenkt.
Wir anderen drei hatten noch kein eigenes Auto, sondern durften höchstens mal mit dem Wagen der Eltern oder der großen Geschwister fahren. Von daher ergab es sich wie von selbst, dass Axel derjenige war, der seinen fahrbaren Untersatz für die Fahrt in die Lüneburger Heide zur Verfügung stellte.
Und für die ganzen Ausflüge, die wir dort geplant hatten.
Mit denen es auch gleich am nächsten Tag losging, als wir ein Museumsdorf besuchten. Das war uns dann allerdings doch ein bisschen zu touristig und wir beschlossen, noch bevor wir den Rundgang vollendet hatten, in die nächste größere Stadt zu fahren.
Am Auto standen wir alle über die Straßenkarte gebeugt da und suchten nach dem Weg dorthin.
Christian war es, der entdeckte, dass kleine Wege durch die Heide da eine enorme Abkürzung sein konnten und uns eine Menge Zeit sparen würden. Wir anderen bezweifelten zwar, dass man diese eingezeichneten kleinen Wege mit dem Auto überhaupt befahren durften, aber Sonja war dann die Vernünftige, die uns allen den Rat gab, wir sollten es einfach einmal ausprobieren.
Notfalls konnte man ja immer noch wieder umkehren, wenn diese Wege doch gesperrt waren. Den kleinen Umweg war uns die Chance wert, insgesamt vielleicht erheblich kürzer unterwegs zu sein.
Wir stapelten uns also wieder in Axels Auto, und los ging die Fahrt. Wir suchten den Abzweig zu dem ersten schmalen Weg.
Der war auch ohne weiteres zu finden, und schon befanden wir uns auf einer übrigens total verlassenen Asphaltstraße, die bald keine Asphaltstraße mehr war, sondern eine Schotterstraße.
Der Schotter wurde dann abgelöst durch echten Boden; festgefahren durch unzählige Reifen, die schon darüber gerollt waren.
Allerdings darf man sich das jetzt nicht wie eine ebene Strecke vorstellen, diesen Weg. Es gab da Rinnen, zum teil tiefe Rinnen, die wohl ein heftiger Regen verursacht hatte, es gab Schlaglöcher, die uns alle durchschüttelten, und es gab Stellen, da machten große Steine das Fortkommen schwer.
Es dauerte nicht lange, bis wir erkannten, dass ein solcher Weg vielleicht distanzmäßig eine Abkürzung sein mochte, wir jedoch damit ganz bestimmt keine Zeit sparen konnten, weil wir nur langsam voran kamen.
Axel wollte umkehren, aber Sonja wies darauf hin, dass man hier fast nirgendwo wenden konnte – was wir tun würden, wenn uns ein Auto entgegen kam, war mir schleierhaft – und jetzt schon so weit gekommen waren, dass wir es einfach versuchen sollten, bis zur nächsten größeren Straße weiterzufahren.
Genau das taten wir dann auch – wir fuhren weiter. Wir fuhren weiter, und die Straße wurde immer schlechter.
Wir holperten und ruckelten und zuckelten und wurden im Wagen richtig durcheinander geschüttelt.
Ja, und dann kam der Unfall, der noch kein Sexunfall war.
Eines der Schlaglöcher war wohl doch zu viel für Axels alte Klapperkiste, die bis zu diesem Zeitpunkt brav mitgemacht hatte. Deren kaputte Stoßdämpfer schon vorher dafür gesorgt hatten, dass er noch die kleinen Löcher massiv merkten im Inneren des Wagens, erst recht die großen.
Als das Auto auf einmal nicht weiterfuhr und die Räder im Sand hörbar durchdrehten, da nahmen wir die Sache zunächst noch nicht sehr ernst. Auch wenn Axel noch nicht solange den Führerschein hatte, er war ein guter Fahrer. Er würde das schon wieder hinkriegen, so dachten wir.
Sonja war die erste, die sich richtig Sorgen machte.
„Was ist, wenn wir hier nicht weiter kommen?“, fragte sie ängstlich. Christian versuchte sie zu beruhigen. Er meinte, das würde schon alles klappen. Es könne zwar ein wenig dauern, aber Axel würde uns da raus holen, da sei er ganz sicher. Axel könnte das, daran könne kein Zweifel bestehen.
„Sobald wir von diesem Weg herunter sind, werden wir aber auf jeden Fall nur noch richtige Straßen benutzen“, meinte er ergänzend. „Nichts gegen einen aufregenden Urlaub, aber mitten in der Pampa stecken bleiben, das ist ja nun kein Abenteuer, sondern mit das Schlimmste, das ich mir vorstellen kann.“
„Aber was, wenn wir jetzt wirklich fest stecken?“, erwiderte Sonja. Christians Worte hatten sie nicht sehr beruhigt.
Und sie schien recht zu behalten.
Axel bemühte sich und bemühte sich, und dennoch bewegte sich das Auto keinen Zentimeter vom Fleck.
Irgendwann beschlossen die beiden Jungs, das sich die Sache einmal von außen ansehen mussten.
Natürlich konnten wir beiden Mädels da nicht im Auto sitzen bleiben, sondern wir stiegen ebenfalls aus, um uns alles zu betrachten. Gleichauf den ersten Blick war klar, dass wir hier so einfach tatsächlich nicht wieder herauskommen könnten.
Ganz tief steckte das linke Vorderrad von Axel’s Wagen in einer Rille. Und auch wenn der Rest des Weges überwiegend festgefahrene und fest getretene Erde war, an dieser Stelle befand sich wohl loser Sand.
Es half auch nicht unbedingt, dass das linke Hinterrad schon den Beginn der Rille berührte und ebenfalls begonnen hatte, sich darin fest zu graben.
Wir berieten, was wir tun sollten. Axel und Christian beschlossen, wir müssten eine Art Planke besorgen, die unter das Vorderrad legen, und so hätte man dann eine Chance, aus dem Schlagloch oder vielmehr der Schlaglöcher wieder herauszufahren, mithilfe dieser Unterstützung.
Rings um uns herum gab es Heideflächen und Wälder. „So schwer kann es nicht sein, hier eine Art Planke zu besorgen“, meinte Christian noch.
Wir zogen also los, jeweils zu zweit, Sonja mit Christian und ich mit Axel. Die Jungs hatten gemeint, ihr Mädchen könnten sowieso eine Planke nicht tragen, wenn wir eine finden würden, und bräuchten deshalb männlichen Beistand. So beliebt war uns Mädchen das nicht. Ein wenig unheimlich war es uns langsam doch zu Mute. Wir waren seit ewigen Zeiten keinem Auto mehr begegnet, und auch keinem Fußgänger. Und dann die großen, ein wenig Furcht einflößenden Waldflächen …
Axel und ich, wir fanden etwas, das man möglicherweise als Planke benutzen konnte. Es war nicht ideal, aber vielleicht konnte es geradeso ausreichend.
Christian und Sonja waren noch nicht zurück. Wir bugsierten das Stück Holz unter das Vorderrad, Axel setzte sich ins Auto und versuchte, mithilfe dieser Stütze aus dem Loch herauszukommen.
Es war vergebens.
Daraufhin beschloss er, die Rückankunft von Christian und Sonja abzuwarten. Entweder hatten Sie etwas Besseres gefunden, oder aber wir sollten alle drei den Wagen von hinten versuchen zu schieben, während er ihn lenkte. Vielleicht brachte das den nötigen Schub, aus dem Loch heraus zu kriechen.
Christian und Sonja kamen mit leeren Händen zurück.
Wir versuchten es mit anschieben, aber auch das blieb vergeblich. Die Räder drehten durch, bewegten sich jedoch nicht vorwärts.
Wir versuchten es insgesamt über eine halbe Stunde lang, bevor wir endlich einsehen mussten, das wir auf diese Weise nicht vom Fleck kommen würden. Es half alles nichts, wir brauchten Hilfe.
Sonja hatte bereits ihr Handy kontrolliert; das hatte keinen Empfang. Nun hatten wir alle Handys dabei, aber bei denen sah es genauso aus. Telefonisch konnten wir jedenfalls keine Hilfe herbeirufen.
Da half nur eines, zwei von uns mussten zu Fuß losziehen und versuchen, im nächsten Haus oder im nächsten Dorf Hilfe zu holen; einen Traktor oder anderes, der helfen konnte, unser Auto herauszuziehen.
Dass wir den Ausflug in die Stadt vergessen konnten, das waren zu diesem Zeitpunkt schon klar.
Was uns noch nicht klar war, das war, wie lange es dauern würde, bis wir überhaupt auch nur irgendwohin kommen würden. Obwohl Sonja bereits die Befürchtung äußerte, dass der ganze Tag im Arsch sei.
Wir überlegten, wer losziehen sollte, und in welche Richtung.
Christian schlug vor, dass am besten wir zwei Mädchen uns auf den Weg machen sollten. Er und Axel würden es dann, wenn wir weg waren, nochmals aus eigener Kraft versuchen, das Auto wieder flottzumachen. Falls dies gelingen würde, könnten sie uns ja mit dem Auto einholen.
Sonja weigerte sich aber standhaft loszugehen. Sie sagte, sie hätte Angst, bei den großen Waldflächen. Schließlich wüsste man ja nie, wen man begegnen würde, außerdem bestand ja auch noch die Gefahr, dass wir uns verlaufen. Zwei Mädchen allein unterwegs, das sei jedenfalls gefährlich.
Christian stöhnte genervt auf, musste dann aber einsehen, dass er Sonja nicht überreden konnte.
Es hätte ja nur noch die Möglichkeit gegeben, dass ich ganz alleine losgehe. Das wollte ich aber nun auch wieder nicht. Ganz ohne Gesellschaft wäre mir das ebenfalls unheimlich gewesen.
Außerdem hätten wir beiden Mädchen auch am Auto bleiben können, während die Jungen sich auf den Weg machen. Auch da hatte Sonja aber zu viel Angst, so ganz ohne männliche Begleitung und männlichen Schutz. Obwohl wir im Auto ja einigermaßen sicher gewesen wären.
Axel war es, der schließlich auf die Idee kam, dass wir uns ja paarweise aufteilen könnten. Er wollte mit mir das nächste Dorf suchen, und Christian und Sonja sollten am Auto zurückbleiben.
Auch damit war Sonja jedoch nicht einverstanden. Sie meinte, wenn schon, dann wolle sie bei den zweien sein, die als erstes das Dorf erreichten. Sie müsse nämlich dringend aufs Klo und hätte Durst. Dasselbe galt für uns alle, aber Sonja war schon immer diejenige gewesen, die am wenigsten verkraftete. Darauf hatten wir in der Clique schon immer Rücksicht genommen.
Von daher diskutierten wir nicht lange sondern beschlossen, dass also Sonja und Christian losgehen würden, während Axel und ich am Auto warten wollten. Den Versuch, das Auto wieder flott zu bekommen, gaben wir unter diesen Umständen gleich auf. Ich wäre da keine große Hilfe gewesen.
Christian und Sonja zogen also los.
Und dann waren Axel und ich alleine. Ich hatte es mir vorher vorgestellt, dass es viel schlimmer wäre, auf dieser Straße einfach weiter zu ziehen, ohne genau zu wissen, welchen Weg man wählen muss und wo man herauskommt. Keiner von uns wusste ja, wo das nächste Dorf war.
Schon nach wenigen Minuten stellte ich jedoch fest, dass das warten vielleicht doch die anstrengende Aufgabe war.
Axel und ich, wir konnten überhaupt nichts tun, wir konnten wirklich nur warten. Vielleicht eine Viertelstunde, vielleicht eine halbe Stunde, vielleicht aber auch mehrere Stunden. Wir wussten ja nicht, wie lange die beiden anderen unterwegs sein würden. Und ohne Handy Empfang konnten wir auch nicht miteinander kommunizieren. Wir wussten überhaupt nicht, was geschah.
Erst wenn die zwei mit der gewünschten Hilfe zurückkommen konnten, war unser Warten beendet.
Von der Langeweile einmal abgesehen musste ich bald pinkeln und hatte auch riesigen Durst. Wir hatten natürlich nichts zu trinken mitgenommen, weil wir ja gedacht hatten, wir sind bald in einer Stadt mit mehr als genug Lokalen. Jetzt eine kalte Limo – ich konnte meinen Speichel tropfen spüren.
Das mit dem Pinkeln war dann schnell erledigt, in einem kleinen Wäldchen, aber der Durst hielt an.
Und die Langeweile wurde immer schlimmer. Obwohl wir vier aus der Clique sonst nie Mühe hatten, ein Gesprächsthema zu finden, in dieser Situation wusste ich nicht, was ich sagen sollte.
Und Axel fiel ganz offensichtlich ebenso wenig ein Gesprächsthema ein. So schwiegen wir uns an.
Ich verfluchte mich, zu dem Paar zu gehören, das am Auto zurückgeblieben war. Wenn ich wenigstens etwas hätte tun können, wäre mir alles bestimmt erheblich leichter gefallen. Selbst wenn ich nur immer einen Schritt vor den anderen hätte setzen und nach einem Dorf Ausschau halten müssen.
„Warum mussten wir eigentlich überhaupt beim Auto bleiben?“, fragte ich Axel irgendwann anklagend. „Wir hätten doch ebenso gut mit den anderen mitgehen können und das nächste Dorf suchen.
Böse sah Axel mich an. „Du glaubst doch nicht, dass ich mein Auto im Stich lasse?“, schimpfte er. „Und außerdem, wie sollten wir die Karre denn wiederfinden, wenn keiner dort zurückbleibt?“
„Und wie sollen die anderen jetzt die Karre wiederfinden?“, gab ich zurück. „Ob wir daneben stehen oder nicht, ändert doch gar nichts!“
Axel wurde bleich. Daran hatte er offensichtlich noch nicht gedacht. Rasch holte er sein Handy hervor und überprüfte es; es gab noch immer kein Funksignal. Auf meinem ebenfalls nicht.
„Siehst du!“, bemerkte ich triumphierend. „Dann hätten wir ja auch ebenso gut mitgehen können!“
„Also meine Idee war es ja nun nicht, dass wir zwei hierbleiben!“, zischte Axel. „Wir haben es alle gemeinsam beschlossen, und wenn dir dein schlauer Einfall etwas früher gekommen wäre, wären wir jetzt nicht hier, sondern mit den beiden anderen vielleicht schon im nächsten Dorf.“
„Na toll!“, meckerte ich. „Da tue ich dir den Gefallen, dass du nicht alleine bei deinem tollen Auto warten musst, und jetzt werde ich von dir dafür auch noch beschimpft. Da bedanke ich mich doch!“
„Und außerdem“, fügte ich noch hinzu, „war diese Aufteilung in Paare sehr wohl ganz allein deine Idee!“
Danach wurde Axel richtig aggressiv, und innerhalb kürzester Zeit hatten wir einen richtigen Streit. Geboren daraus, dass unsere Situation wirklich nicht beneidenswert war, dass keiner von uns wusste, wie lange wir würden warten müssen, aus Durst und aus Hitze und aus Langeweile.
Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass Axel sich über sich selbst ärgerte und über diese Schnapsidee der Aufteilung. Wenn sich jemand über sich selbst ärgert, dann werden viele Menschen wütend auf andere.
Wir wussten es ja beide ganz genau, dass der andere eigentlich auch nichts dafür konnte, dass wir so beschissen dran waren, aber es ist wohl normal, dass Menschen immer einen Schuldigen suchen, und wenn sich sonst keiner bietet, halten wir uns an den nächsten Menschen, der uns begegnet.
Die Diskussion wurde immer hitziger und immer aufgeladener.
Am Ende standen wir uns beide mit geballten Fäusten gegenüber. Sein Gesicht war mir auf einmal ganz dicht, so dicht, wie ich es vorher noch nie erlebt hatte. Ich sagte ja schon, wir waren zwar alle sexuell nicht ganz unerfahren, aber Sex in der Clique, das gab es einfach nicht.
Wir hatten nie auch nur miteinander herumgeknutscht.
Einen Augenblick lang fürchtete ich, Axel werde mich schlagen. Ich hatte gerade wieder etwas ziemlich gemeines gesagt. Was, das weiß ich gar nicht mehr; ich weiß nur noch, es war ebenso fies wie unberechtigt.
Auf einmal, ich hätte es weder damals, noch im Nachhinein sagen können, wie es eigentlich dazu gekommen ist und wer von uns beiden den ersten Schritt gemacht hat, lag ich in Axels Armen und wir küssten uns.
Damit fing es wenigstens an, mit dem Küssen; aber es ging schnell weiter und weit darüber hinaus.
Axel riss mir das enge, knappe Top vom Leib, beugte sich über meine Brüste, lutschte und leckte mir die Nippel und knabberte auch mit den Zähnen daran. Zuerst ganz leicht, dann stärker.
Es ging wie elektrischer Strom durch mich hindurch. Meine ganze Frustration entlud sich in erotischer Leidenschaft.
Ich tat etwas, was ich vorher noch nie getan hatte; ich ging ihm an die Hose, oder vielmehr direkt an den Schwanz. Er trug Shorts, wenn auch knielange, und so war es kein Problem, ihm die auszuziehen.
Anschließend zerrte ich seinen Slip herunter. Ich kniete mich vor ihm auf die Erde, eine seltsame Mischung aus Lehm oder was auch immer und Sand, und begann, ihm einen zu blasen.
So gut ihm das zu gefallen schien, es reichte ihm nicht aus. Er zog mich hoch und dann wieder nach unten, so dass er auf mir zu liegen kam. Mein kurzer, leichter Rock war in nullkommanichts hochgeschoben, mein Slip landete irgendwo neben uns; wo, war uns beiden egal.
Zu sagen, wir hätten nun da, mitten auf dem Heideboden, Sex miteinander gehabt, das wäre der falsche Ausdruck gewesen. Das klingt viel zu romantisch. Was wir hatten, das war ein Fick.
Ein echter harter, intensiver Fick; Axel fickte mich, während uns beiden der Schweiß in Strömen über die haut lief, und dabei vergaßen wir Langeweile, Durst und unsere beschissene Situation.
Erst als Axel in mir gekommen war, fiel es mir siedend heiß ein, was wir da gerade gemacht hatten.
Wir hatten beide überhaupt nicht an die Verhütung gedacht. Nicht dass einer von uns ein Kondom oder irgendetwas anderes dabei gehabt hätten. Es sollte ja schließlich kein Sexurlaub werden.
Kaum wurde mir das bewusst, fing ich an zu heulen.
Nun ging es mir noch viel beschissener als vorher. Axel blickte mich zuerst ganz genervt an, aber als ich ihm schluchzend erklärte, weshalb ich mich jetzt noch schlimmer fühlte als vorher hatte er wenigstens den Anstand, mich in den Arm zu nehmen und zu versuchen, mich ein wenig zu trösten.
Axel ist wirklich ein toller Kerl.
Wenn er auch ganz und gar nicht der Mann ist, mit dem ich auf ewig zusammenbleiben und Kinder haben möchte.
Er ist wirklich nur ein Freund und nicht mehr. Das machte es ja so schlimm, dass wir beim Ficken nichts benutzt hatten. Wenn ich nun schwanger wurde – und falls aus dem Unfall mit dem Auto, dem Steckenbleiben, nun auch noch ein Sexunfall in Form einer unerwünschten Schwangerschaft geworden war, dann war das Geschehen in mir ja schon längst im Gange -, dann blieben mir nur zwei Wege.
Ich musste entweder abtreiben, was ich eigentlich nicht wollte. Oder ich musste mich mit Axel zusammentun, und zwar nicht als Freund, sondern als Partner. So gerne ich ihn mag – die Vorstellung war schrecklich.
Axel ist rein äußerlich und von seinem ganzen Wesen her überhaupt nicht mein Typ. Ich weiß auch nicht, weshalb ich da in der Heide auf einmal so furchtbar scharf auf ihn war. Es ist weder davor, noch danach jemals wieder passiert.
Wir zogen uns wieder an, und in noch trüberer Stimmung als vorher warteten wir weiter; schweigend, auf dem Boden neben dem Auto sitzend, die Arme freundschaftlich umeinander gelegt.
Als wir nach etwa zwei Stunden hörten, wie sich auf dem Weg ein Traktor näherte und dann kurz darauf auch Sonja und Christian erkannten, die winkten und auf uns zuliefen und dabei etwas riefen, das wir beim Lärm des Traktors nicht verstehen konnten, hätten wir uns eigentlich wahnsinnig freuen müssen.
Stattdessen waren wir beide sehr niedergedrückt.
So sehr, dass Sonja mich fragte, was denn los wäre. Ich schüttelte nur den Kopf; das konnte ich ihr nicht sagen.
Mir war der gesamte Zelturlaub verdorben.
Zwei Wochen später, längst wieder zu hause, stellte ich dann sehr erleichtert fest, ich war nicht schwanger; ich hatte meine Tage. Trotzdem hing mir der Gedanken an den beinahe-Sexunfall nach dem Autounfall lange nach. Und das Verhältnis zu Axel und dem Rest der Clique ist nicht mehr dasselbe.
am 8. April 2012 um 17:38 Uhr. eMail
In Frustsituationen ist es oft üblich dass der Verstand ausklinkt und man ein Wechselbad der Gefühle erlebt, in denen alles möglich ist. Dass ist ganz normal und solche Erfahrungen gehören zum leben dazu. Hier passt die Floskel – schnell wird Gras darüber wachsen. Mach dir also keine Gedanken darüber und nimm es wie gesagt als Lektion fürs leben. Wie sagte Giacomo Casanova doch so trefflich: „Die Liebe besteht zu drei Vierteln aus Neugier.“
In diesem sinne alles gute und frohe Ostern. 🙂
Viele Grüße,
Andy
am 11. Oktober 2012 um 1:17 Uhr. eMail
Komm zum Punkt!!! Was ne langweilige Geschichte. Glücklicherweise habe ich sie mehr überflogen denn gelesen.
am 5. Januar 2013 um 18:49 Uhr. eMail
zur Stellungnahme von Puuuuh:
Nein, als langweilig empfinde ich diese Geschichte nicht, vielmehr ist hier dargestellt, wie es im Leben zugehen kann.
am 6. August 2014 um 12:11 Uhr. eMail
Noch nie was von Spirale 5 Jahre Verhütung,Implant 3 Jahre Verhütung gehört?Ohne Kindwunsch ist die Steri super.